13. November 2019
TÜV-Report 2020
Durchfallquote nur leicht gestiegen – Einführung des „gefährlichen Mangels“ als neue Mängelkategorie – Gewinner ist der Mercedes GLC – Digitalisierung und Klimaschutz erfordern Anpassungen bei der Hauptuntersuchung
Berlin, 7. November 2019 – In Deutschland ist gut jedes fünfte Auto (21,5 Prozent) bei den TÜV-Prüfstellen mit „erheblichen Mängeln“ durch die Hauptuntersuchung (HU) gefallen. Das ist das Ergebnis des aktuellen „TÜV-Reports 2020“, für den rund 9 Millionen Pkw-Hauptuntersuchungen ausgewertet wurden. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist die Durchfallquote geringfügig um 0,3 Prozentpunkte gestiegen. Fahrzeuge mit erheblichen Mängeln müssen von den Besitzern repariert und erneut vorgeführt werden, bevor sie eine neue Prüfplakette bekommen. Weitere 9,7 Prozent der Fahrzeuge waren mit „geringen Mängeln“ unterwegs (minus 2,3 Punkte). Der Anteil der mängelfreien Fahrzeuge ist um 1,1 Punkte auf 68,8 Prozent gestiegen. „Ein großer Teil der Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen ist mit erheblichen Sicherheitsmängeln unterwegs“, sagte Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands (VdTÜV), bei der Vorstellung des TÜV-Reports in Berlin. „Insbesondere die Besitzer älterer Autos sollten ihre Fahrzeuge regelmäßig warten lassen, um sich und andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden.“ Laut TÜV-Report 2020 wurden von den Prüfern 0,1 Prozent der Fahrzeuge als „verkehrsunsicher“ eingestuft und mussten sofort stillgelegt werden. Betrachtet man alle durchgeführten Hauptuntersuchungen in Deutschland, entspricht das rund 15.000 Fahrzeugen innerhalb eines Jahres. Aus Sicht des TÜV-Verbands ist es notwendig, die HU sowohl an die rasante digitale Entwicklung als auch an die steigenden Anforderungen an die Umweltverträglichkeit der Fahrzeuge anzupassen. „Die Hauptuntersuchung muss mit neuen Prüfkriterien für digital gesteuerte Assistenzsysteme und neuen Messungen für die Abgasuntersuchung fit für die Zukunft gemacht werden“, betonte Bühler. Dafür müssten jetzt die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden.
Neue Prüfkategorie „gefährlicher Mangel“
Bereits in der aktuellen Prüfperiode sind verschiedene Änderungen bei der HU wirksam geworden. Auf Grundlage einer EU-Richtlinie zur Harmonisierung der Pkw-Prüfungen in Europa ist erstmals die neue Kategorie des „gefährlichen Mangels“ in die Statistik eingeflossen. Sie beschreibt Defekte, die gefährlicher als ein „erheblicher Mangel“ sind, aber nicht zur Stilllegung des Fahrzeugs führen (Kategorie „verkehrsunsicher“). Fahrzeughalter müssen gefährliche Mängel wie undichte Bremsschläuche, defekte Leuchten oder ein nicht funktionierendes Reifendruckkontrollsystem „unverzüglich“ in einer Werkstatt beheben lassen. „Für die Fahrzeughalter ändert sich ein entscheidendes Detail: Fällt ihr Auto mit gefährlichen Mängeln durch den TÜV, müssen sie umgehend in die Werkstatt“, sagte Bühler. Im aktuellen TÜV-Report lag der Anteil der Fahrzeuge mit „gefährlichen Mängeln“ allerdings nur bei 0,4 Prozent. Das entspricht über sämtliche Hauptuntersuchungen hinweg in Deutschland rund 80.000 Fahrzeugen. Aufgrund der geringen Quote wird der Wert im TÜV-Report den erheblichen Mängeln zugeordnet. Weitere Neuerungen sind die Wiedereinführung der Endrohrmessung bei der Abgasuntersuchung sowie Prüfungen von Software-Updates und des Notrufsystems eCall.
Steigendes Alter der Fahrzeuge Herausforderung für die Verkehrssicherheit
Laut den Ergebnissen des aktuellen TÜV-Reports steigt die Durchfallquote bei der HU mit dem Alter der Fahrzeuge erheblich an. Bei den 2 bis 3 Jahre alten Autos liegt die Quote der erheblichen Mängel (EM-Quote) nur bei 5,8 Prozent. Bei den 6 bis 7 Jahre alten Pkw fallen 16,4 Prozent aller Fahrzeuge durch die HU und bei den 10 bis 11 Jahre alten Pkw sogar 28,2 Prozent. Bereits seit Jahren steigt das Alter der Pkw in Deutschland kontinuierlich. Aktuell liegt das Durchschnittsalter der Fahrzeuge laut KBA bei 9,5 Jahren. Das sind 1,4 Jahre mehr als im Jahr 2010 und sogar 2,6 Jahre mehr als im Jahr 2000. Das spricht aus Sicht des TÜV-Verbands zwar für die verbesserte Langlebigkeit moderner Fahrzeuge, die heute beispielsweise kaum noch wegen Korrosion aus dem Verkehr gezogen werden. „Das steigende Durchschnittsalter ist aber auch eine Herausforderung für die Verkehrssicherheit“, sagte Bühler. Fahrzeughalter sollten umso mehr auf die Funktionsfähigkeit von Verschleißteilen wie Bremsscheiben, Leuchten oder Achsfedern achten. Bühler: „Regelmäßige Wartung ist bei neueren und älteren Fahrzeugen notwendig, um Defekte frühzeitig zu erkennen und stark beanspruchte Bauteile rechtzeitig zu reparieren oder auszutauschen.“
Gesamtsieger ist der Mercedes GLC
Sieger des aktuellen TÜV-Reports 2020 ist der Mercedes GLC. Mit nur 2,17 Prozent hat der Stadtgeländewagen (SUV) die geringste Quote erheblicher Mängel unter den 2 bis 3 Jahre alten Fahrzeugen. „In diesem Jahr war das Rennen um den Gesamtsieg besonders knapp und konnte erst anhand der zweiten Nachkommastelle ermittelt werden“, sagte Bühler. Auf Platz 2 liegen gleichauf mit einer EM-Quote von jeweils 2,20 Prozent der Roadster Mercedes SLK und der Porsche 911. Da der Mercedes GLC bei einer marginal geringeren Durchfallquote mit durchschnittlich 56.000 Kilometern eine deutlich höhere Laufleistung als der SLK (30.000 Km) und der 911er (25.000) hat, geht er als verdienter Sieger aus dem Vergleich hervor. Alle anderen Altersklassen gewinnt der Porsche 911: bei den 4-5 Jährigen der Typ 991 und bei den 6-7 Jährigen, 8-9 Jährigen und 10-11 Jährigen der Typ 997. Auffällig ist, dass unter den Top 10 des TÜV-Reports bei den 2-3 Jährigen fast ausschließlich deutsche Hersteller vertreten sind: sechs Mercedes-Modelle, zwei Audis und ein Porsche. Einzige Ausnahme ist der Mazda CX-3 auf Platz 6.
Mercedes dominiert im laufenden Jahr auch die Übersicht der Klassenbesten. Bei der Eingruppierung der einzelnen Modelle orientiert sich der TÜV-Report an den Wagenklassen des Kraftfahrt-Bundesamtes. Neben dem GLC bei den SUV gewinnt die Mercedes C-Klasse in der Mittelklasse, die B-Klasse bei den Vans und die A-Klasse bei den Kompaktwagen. Der Audi A1 liegt bei den Kleinwagen vorne und der Opel bei den so genannten Minis. Die schlechtesten Modelle ihrer Klasse mit den höchsten Durchfallquoten bei den 2-3 Jährigen sind der Ford Ka bei den Minis (10,7 Prozent), Fiat Punto bei den Kleinwagen (10,8 Prozent), Dacia Logan bei den Kompaktwagen (13,6 Prozent), Ford Mondeo in der Mittelklasse (9,1 Prozent), Dacia Duster bei den SUVs (11,7 Prozent) sowie Citroen Berlingo bei den Vans (11,2 Prozent). Bei den 10-11 Jahre alten Fahrzeugmodellen haben mit einer Durchfallquote von jeweils 43,1 Prozent der Dacia Logan und der Chevrolet Matiz am schlechtesten abgeschnitten.
Zu den häufigsten Auffälligkeiten bei der HU gehören Beleuchtungsmängel. Auf den TÜV-Prüfständen fallen insbesondere ältere Fahrzeuge mit defektem Abblendlicht oder kaputten Bremsleuchten auf. „Fahrzeughalter sollten die Beleuchtung regelmäßig selbst überprüfen“, sagte Bühler. „Funktionstüchtige Leuchten erhöhen gerade in der dunklen Jahreszeit die Verkehrssicherheit und ersparen den Fahrzeugbesitzern eine zusätzliche Fahrt zur Prüfstelle.“ Eine weitere Schwachstelle ist bei vielen Modellen austretendes Öl an Motor oder Getriebe. „Ölverluste wirken bei Unfällen brandbeschleunigend und belasten die Umwelt“, sagte Bühler. Auch abgefahrene Bremsscheiben oder Defekte an den Bremsleitungen sind häufig der Grund dafür, dass Fahrzeuge bei der HU durchfallen. Ein ernstes Sicherheitsrisiko sind Defekte an Achsfedern und Stoßdämpfern, weil die Fahrzeuge nicht mehr stabil auf der Straße liegen. Das ist vor allem in engen Kurven oder bei Ausweichmanövern gefährlich.
Vernetzte Mobilität und Klimaschutz erfordern weitere Modernisierung der HU
In den vergangenen Jahren sind mehrere Neuerungen bei der Hauptuntersuchung in Kraft getreten. Seit dem Jahr 2018 ist bei der Abgasuntersuchung (AU) wieder eine Endrohrmessung Pflicht und seit 2019 gelten strengere Grenzwerte bei der AU. Ab dem Jahr 2021 soll bei Diesel-Fahrzeugen auch die Partikelanzahl gemessen werden. Das reicht aus Sicht des TÜV-Verbands aber nicht aus. „Bei Dieseln sollte bei der Abgasuntersuchung in Zukunft auch der Ausstoß von Stickoxiden und bei Benzinern die Partikelanzahl ermittelt werden“, sagte Bühler. Zudem müssten Prüforganisationen Zugang zur Abgassoftware und den im Fahrzeug erhobenen Daten bekommen, um das Abgasverhalten digital prüfen und Manipulationen durch Hersteller oder Fahrzeughalter verhindern zu können.
Auch der Einstieg in die digitale Hauptuntersuchung ist erfolgt. So wird zwar geprüft, ob digitale Komponenten wie das Notrufsystem eCall vorhanden oder bestimmte Software-Updates für die Abgasreinigung implementiert worden sind. „Eine Funktionsprüfung digital gesteuerter Assistenzsysteme und der dafür notwendigen Software findet bei der HU nicht statt“, kritisierte Bühler. Zudem fehle den Prüfern der Zugang zu sicherheits- und umweltrelevanten Daten in den Fahrzeugen. Für einen diskriminierungsfreien Zugang zu HU-relevanten Fahrzeugdaten hat der TÜV-Verband eine Trustcenter-Lösung vorgeschlagen, bei der Informationen in verschlüsselter Form auf den Servern einer neutralen Institution gespeichert werden. Darüber hinaus sollten zusätzliche Prüfvorschriften für IT-Sicherheit und Datenschutz eingeführt werden. „Nicht zuletzt muss in Zukunft auch die technische Infrastruktur für vernetzte Fahrzeuge in die Verkehrssicherheitskonzepte einbezogen werden“, sagte Bühler.
Deutschlands wichtigster Gebrauchtwagenratgeber
Der TÜV-Report ist seit 1972 eine unabhängige Quelle für Verbraucher, Autohersteller und die Politik, wenn es um den technischen Zustand der Fahrzeuge in Deutschland geht. Der TÜV-Report ist aber vor allem Deutschlands wichtigster Gebrauchtwagenratgeber. „Der TÜV-Report bildet die Wirklichkeit auf unseren Straßen ab“, sagte Chefredakteur Hartmut Müller-Gerbes. „Die Verbraucher finden im aktuellen Heft viele Hinweise, worauf sie beim Kauf eines Gebrauchtwagens achten sollten.“ Aufgeführt sind die Stärken und Schwächen einzelner Fahrzeugmodelle in unterschiedlichen Altersklassen. Müller-Gerbes: „Der TÜV-Report informiert Gebrauchtwagenkäufer unabhängig von möglichen Interessen der Hersteller, Werkstätten oder Händler. Die Marke TÜV steht dafür wie keine andere.“ Der TÜV-Report 2020 ist ab 8. November 2019 als Sonderausgabe der Auto BILD zum Preis von 4,90 Euro im Zeitschriftenhandel und bei den TÜV-Stationen erhältlich. Herausgeber ist der Verband der TÜV e.V., gemeinsam mit TÜV Hessen, TÜV NORD, TÜV Rheinland, TÜV SÜD und TÜV Thüringen.
Weitere Informationen zum TÜV-Report 2020 sind abrufbar unter: https://www.vdtuev.de/news/tuev-report-2020/
Methodik-Hinweis: Für den TÜV-Report 2019 sind rund 9 Millionen Hauptuntersuchungen von Pkw ausgewertet worden, die von Juli 2018 bis Juni 2019 durchgeführt wurden. Basis der Rankings in 5 Altersklassen sind 18 ausgewählte, besonders relevante Mängel. Untersucht wurden in diesem Jahr 237 verschiedene Fahrzeugmodelle.
Quelle:
VdTÜV Verband der TÜV e.V.
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